Erfurt Universitätsgeschichte

Universitäten in der deutschsprachigen Welt beginnen mit der Gründung von Prag (1348), Wien (1365) und Erfurt (1379); die Universität Erfurt gilt damit als die älteste Universität im heutigen Deutschland.

Erfurts Bürgerschaft hatte das Privileg während des Großen Abendländischen Schismas (1378-1417) von Papst Clemens VII. in Avignon, nicht von Papst Urban VI. in Rom erhalten, der es aber zehn Jahre später bestätigte. Inzwischen waren die Universitäten Heidelberg (1386) und Köln (1388) gegründet worden; im 15. Jahrhundert folgten die Gründungen der Universitäten Würzburg (1402), Leipzig (1409), Rostock (1419), Greifswald (1456), Freiburg (1457), Basel (1460), Ingolstadt (1472), Trier (1473), Tübingen und Mainz (1477), im 16. Jahrhundert Wittenberg (1502), Königsberg (1544) u.a.

Die Universität Erfurt nahm 1392 den Studienbetrieb auf und wurde in der Folge eine der größten deutsche Universitäten. Zu ihren Studenten gehörte etwa ein Martinus Ludher ex Mansfeld, der sich in Erfurt 1501 immatrikulierte und in Erfurt 1502 den Grad des B.A., 1505 den des M.A. und 1509 die Promotion erlangte. Martin Luther schrieb später: Fateor et agnosco: Mater mea Erfordiensis Universitas, cui non contentionem, sed honorem debeo. (Brief vom 21.12.1514; WA Briefwechsel I S. 30). Erfurt ist Luthers alma mater.

Wie andere mittelalterliche Universitäten in der deutschsprachigen Welt hatte Erfurt allerdings keinen ununterbrochenen Bestand. Die Universität Würzburg war bereits weniger als ein Jahrzehnt nach ihrer Gründung wieder geschlossen (und erst im späten 16. Jahrhundert wiederbegründet) worden, die Universität Ingolstadt wurde 1800 nach Landshut (und 1826 nach München) verlegt. Die alten Universitäten Köln, Trier und Mainz wurden 1798 geschlossen, Wittenberg 1813 und Erfurt 1816. Insgesamt wurden in jener Zeit mehr als 20 deutsche Universitäten geschlossen. Insbesondere Preußen, zu dem Erfurt seit 1802 gehörte, wollte nur wenige „starke“ und vorzugsweise neue Universitäten haben: Allein die entlegenen Universitäten Greifswald und Königsberg blieben bestehen, während neue Universitäten in Berlin (1809/10), Breslau (1811), Halle (1817) und Bonn (1818) errichtet wurden.

Neugründungen alter Universitäten können einen Neubeginn markieren: Die Universität zu Köln (1388-1798) wurde nach dem Ersten Weltkrieg 1919 neu gegründet, Mainz (1477-1798) nach dem Zweiten Weltkrieg 1946, Trier (1473-1798) nach den ’68er-Jahren 1970. Die Neugründung der Universität Erfurt (1379-1816) steht in engem Zusammenhang zur jüngeren deutschen Geschichte: Seit 1987 hatten sich in der DDR Bürgerinnen und Bürger für eine Wiedergründung eingesetzt, zwei Jahre später machte die Wiedervereinigung diesen Wunsch zumindest denkbar – und 1994 wurde die Universität Erfurt als rein geistes- und sozialwissenschaftliche staatliche Universität neu gegründet; fünf Jahre später wurde der Studienbetrieb aufgenommen. 2001 wurde die Pädagogische Hochschule Erfurt in die Universität eingegliedert, zwei Jahre später die zuvor von der Katholischen Kirche getragene Theologische Fakultät als vierte Fakultät in die Universität integriert.

Heute sind an der Universität Erfurt gut 6000 Studierende in vier Fakultäten (Philosophische, Staatswissenschaftliche, Erziehungswissenschaftliche und Katholisch-Theologische Fakultät) eingeschrieben. Zu ihren Nachbarn in der Stadt gehören die Fachhochschule Erfurt, das Helios-Klinikum und die Abteilung Kindermedien des Fraunhofer-Instituts. Mit dem Max-Weber-Kolleg, der Erfurt School of Education, der Willy-Brandt-School of Public Policy sowie dem Forschungszentrum, der Forschungsbibliothek und dem Perthes-Archiv im benachbarten Gotha verfügt die Universität selbst über bedeutende universitätseigene Lehr- und Forschungseinrichtungen.

Die Universität Erfurt ist zugleich die älteste und die jüngste staatliche Universität im heutigen Deutschland.

Kai Brodersen